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Projektbeschreibung

Innerhalb der Prozessketten der Halbzeugherstellung wird die Warmumformung genutzt, um aus dem Gießprozess stammende Poren und Lunker unter Druckspannungen zu beseitigen und das Gefüge für die Weiterverarbeitung einzustellen. Auch bei Kaliber- und Flachwalzprozessen (TP A01 und A04) treten bei bestimmten Walzspaltverhältnissen Zugspannungen auf, die die Porenbildung an nichtmetallischen Einschlüssen begünstigen. Die Dekohäsion von Matrix und Einschluss bei der Porenbildung wird von lokalen Fließvorgängen und Spannungen bestimmt. Im Gegensatz zur Kaltumformung treten bei der Warmumformung Erholungs-, Rekristallisations- und Diffusionsvorgänge auf, die lokale Spannungen abbauen können. Existierende Modelle für die Ver- und Entfestigung und die Schädigung betrachten diese Mechanismen zumeist isoliert. Nur wenige Arbeiten beschreiben den Schädigungsabbau durch Rekristallisation. Eine Modellformulierung, die den Einfluss der Erholung und Rekristallisation auf die Schädigungsentstehung beschreibt, ist nicht bekannt. Auch sind die Wechselwirkungen zwischen den Entfestigungsmechanismen und der Schädigung wissenschaftlich nicht hinreichend durchdrungen. Somit kann die Wirkung der Warmumformung auf die Schädigung nicht umfassend beschrieben werden.

Langfristiges Ziel dieses Teilprojekts ist es daher, die Wechselwirkungen zwischen Ver- und Entfestigung und Schädigung bei der Warmumformung zu verstehen und ein Modell für die gekoppelte Gefüge- und Schädigungsevolution herzuleiten. Der innovative Ansatz des Teilprojekts besteht darin, die Schädigungsentwicklung als Funktion des Auf- und Abbaus lokaler Spannungen an der Grenzfläche Matrix-Einschluss zu beschreiben. Die Wirkung der umformtechnischen Beeinflussungsmöglichkeiten der Schädigungsinitiierung, d. h. der Temperatur, der Umformgeschwindigkeit und des Spannungs- und Dehnungszustands, soll mithilfe physikalischer Simulationsmethoden und anschließender Charakterisierung der Mikrostruktur in den TP B03 und B04 untersucht werden. Begleitende Kristallplastizitäts-FEM-Simulationen auf der Mikroebene sollen dazu dienen, die Interaktion von Einschlüssen mit der Matrix zu verstehen und somit helfen, die Schädigungsentstehung physikalisch basiert zu beschreiben.

Die erste Förderperiode zielt dabei auf das Verständnis der Rolle der Ver- und Entfestigung bei der Porenentstehung an Einschlüssen während der Warmumformung und eine erste gekoppelte Modellformulierung ab. In der zweiten Förderperiode soll das Modell um weitere Schädigungsmechanismen wie die Porennukleation an Korngrenzen erweitert werden. Prozessseitig werden Zwischenglühungen und Wärmebehandlungen betrachtet. In der dritten Förderperiode ist die Übertragung auf andere Werkstoffe und die Nutzung der Modelle für die modellbasierte schädigungskontrollierte Auslegung von Warmumformprozessen vorgesehen.

 

Wichtige Ergebnisse der 1. Förderperiode

Durchführung von Warmzugversuchen mit unterschiedlicher Triaxialität

In diesem Arbeitspaket wurden Referenzdaten für die Kalibrierung des erweiterten GTN-Modells ermittelt. Hierzu wurden isotherme Warmzugversuche für die beiden Materialien 16MnCrS5 und DP800 (Ausgangsmaterial der Blechroute) durchgeführt. Die unterschiedlichen Triaxialitätswerte wurden unter Verwendung der Rundproben mit unterschiedlichen Kerbradien erreicht, wie in Abb 1a gezeigt. Die Tests wurden mit einem Dilatometer DIL805A/D/T (TA Instruments) bei verschiedenen Temperaturen (900, 1000, 1100 und 1200 °C) und Dehnraten (0,01, 0,1 und 1 s-1) durchgeführt.

Die Ergebnisse der Warmzugversuche wurden in Form von Kraft-Weg-Kurven (F-s) gemessen. Ein Beispiel für die F-s-Kurven für ungekerbte und gekerbte Proben aus 16MnCrS5 und DP800 bei 1000 °C und 0,1 s-1 zeigt Abb 1b,c. Nach einem deutlichen Maximum in der Kraft fiel diese ab. Makroskopisch trat die Abnahme der Kraft aufgrund der Einschnürung in der Probe auf. Wie später dargestellt (Abb. 2c,d), nahm mikroskopisch die Festigkeit aufgrund der Schädigungsentwicklung in Form von zunehmender Porosität ab. Die Maximalkraft war bei kleinerem Kerbradius höher und die Dehnung lokalisierte früher. Der kleine Kerbradius führte zu einer hohen Spannungstriaxialität und einer lokalen Spannungskonzentration. Des Weiteren konnte eine geringere Duktilität der Probe bei kleinem Kerbradius festgestellt werden. Bei Verringerung der geometrischen Kerbe zeigte die Maximalkraft einen abnehmenden Trend und es wurde eine zunehmende Duktilität bei identischen Verformungsbedingungen festgestellt. Die Zugversuche wurden verwendet, um die Parameter des erweiterten GTN-Modells zu bestimmen.

Abb. 1: (a) Probengeometrie für Warmzugversuche. Charakteristische experimentelle Kraft-Weg-Antwort für gekerbte Proben bei 1000 ° C und 0,1 s-1 für (b) 16MnCrS5 und (c) DP800

 

Charakterisierung der Schädigung

In Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt B04 wurden die Zugproben analysiert, um Mikrostrukturinformationen im Ausgangszustand sowie den Mikrostruktur- und Schädigungszustand nach der Umformung zu erhalten. Dazu wurden die anfänglichen Größenverteilungen von Defekten (Einschlüsse und Hohlräume) im Ausgangszustand analysiert. Abb. 2a zeigt eine große Anzahl kleiner Einschlüsse mit Durchmessern von 0,5 bis 1,75 µm und den größten Einschluss mit 4,24 µm. Es konnte eine geringe Anzahl kleiner Poren im Ausgangsmaterial festgestellt werden (Abb. 2b). Vereinzelt wurden einige größere Hohlräume gefunden.

Die Proben wurden nach der Umformung auf den Schädigungszustand und die möglichen Schädigungsmechanismen hin untersucht, wobei Poren als Schädigung identifiziert werden. Aus den Schädigungsdiagrammen geht hervor, dass unterschiedliche Umformbedingungen zu unterschiedlichen Schädigungen im Material führen. Als Beispiel sind Ergebnisse für die Prüfparameter 1100 °C und 1 s-1 in Abb. 2c,d dargestellt. Für die Porenbildung konnten zwei mögliche Mechanismen identifiziert werden: (i) Porenkeimbildung und Wachstum an der Grenzfläche zwischen Einschluss und Matrix aufgrund Dekohäsion und (ii) Porenbildung und -wachstum in der Matrix und/oder Wachstum bestehender Hohlräume.

Abb. 2: Verteilung der durchschnittlichen Durchmesser von (a) Einschlüssen und (b) Hohlräumen im Ausgangsmaterial 16MnCrS5 (in einer gemessenen Gesamtfläche von 1,44 mm²). Schädigungszustand von 16MnCrS5 nach einachsiger Umformung bei 1100 °C und 1 s-1: (c) Übersicht über den Querschnitt mit Schädigung, (d) Dekohäsion eines Einschlusses von der Stahlmatrix

 

Analyse der Interaktion Ver-/Entfestigung-Schädigung

In Bezug auf die Notwendigkeit, das Entfestigungs- und Schädigungsmodell zu koppeln, war es erforderlich zu klären, inwieweit die dynamische Erholung oder dynamische Rekristallisation die lokalen Spannungen in der Nähe von Einschlüssen beeinflusst. Darüber hinaus sollte der Einfluss der Umformbedingungen und des Ausgangszustands sowie des Spannungszustands auf die Schädigung quantifiziert werden, wozu ein kontinuumsbasierter RVE-Ansatz verwendet wurde. Ein RVE, bei dem ein sphärischer Einschluss von einer formbaren Matrix umgeben ist (Abb. 3a), konnte als axialsymmetrisches 2D-Modell (Abb. 3b) erzeugt werden. Der Einschluss wurde als Starrkörper und die Matrix viskoplastisch modelliert, wobei die Fließspannung in der Matrix über das DRX-Modell definiert wurde. Um die Wechselwirkung zwischen Einschluss und Matrix zu beschreiben wurden temperaturabhängige kohäsive Elemente mit einer Dicke von 0,01 µm verwendet. Mit bilinearen axialsymmetrischen 4-Knoten-Elementen (CAX4R) konnten Einschluss und Matrix diskretisiert werden. Das Interface wurde mit axialsymmetrischen 4-Knoten-Kohäsionselementen (COHAX4) modelliert. Das Beynon-Sellars DRX-Modell wurde zur Beschreibung der Rekristallisation der Matrix über eine UHARD-Subroutine in Abaqus/Standard 2017 implementiert. Mit dem auch als Kohäsivzonenmodell (CZM) [CZM10] bezeichneten Traction-Separation Law wurden das Grenzflächenverhalten zwischen Einschluss und Matrix beschrieben (Abb. 3c) und die Parameter für den Werkstoff 16MnCrS5 identifiziert.

Abb. 3: (a) Darstellung eines sphärischen Einschlusses in einer zylindrischen Matrix, (b) RVE für die achsensymmetrische FE-Simulation und (c) temperaturabhängiges Kohäsivzonenmodell für die Grenzfläche

 

Der Einfluss von DRX auf die Schädigungsinitiierung und das -wachstum wurde auf zwei extreme Umformbedingungen hin analysiert: (i) hohe Temperatur und niedrige Dehnrate (1000 °C, 1 s-1) sowie (ii) niedrige Temperatur und hohe Dehnrate (800 °C, 10 s-1). Die Umformbedingungen (i) sind für einen großen rekristallisierten Volumenanteil (XDRX) prädestiniert, während (ii) sehr kleine XDRX-Werte verursacht. Ein Vergleich der Schädigungskurven mit und ohne DRX konnte in Abb. 4a dargestellt werden. Aus der Analyse wurden zwei Schlussfolgerungen gezogen: (i) Wenn DRX auftritt, verringert sich der Anteil der Gesamtschädigung im Material, und (ii) die Schädigungsinitiierung kann unter den Umformbedingungen, für die DRX auftritt (1000 °C, 1 s-1), verzögert werden was auch die Gesamtschädigung im Vergleich zu niedrigem XDRX (800 °C, 10 s-1) verringert. Mikroskopisch initiiert die lokale Spannungskonzentration an der Grenzfläche zwischen Einschluss und Matrix die Bildung und das Wachstum des Hohlraums. Die Intensität lokaler Spannungen an der Grenzfläche hängt vom XDRX Anteil ab. Ein hoher Wert von XDRX (Abb. 4c) senkt die durchschnittliche Fließspannung und Dehnung in der Matrix, wodurch die lokale Spannungskonzentration und die Gesamtschädigung verringert wird. Die resultierende Hohlraumgröße bei hohem XDRX Anteil war im Vergleich zu großen Hohlräumen aufgrund von kleinem XDRX kleiner (Abb. 4b). Eine detaillierte Analyse des Einflusses von DRX, Spannungszustand (Spannungs-Triaxialität und Lode-Parameter), Temperatur, Dehnrate, Gesamtdehnung, Einschlussgröße und -typ auf die Schädigung findet sich in [Imr19a, Szy18].

Abb. 4: (a) Verlauf der Schädigungsinitiierung und des Wachstums beim Auftreten von DRX (durchgezogene Linien) im Vergleich zu Schädigungskurven ohne DRX (gestrichelte Linie) und Größe von XDRX für 16MnCrS5 bei den Umformbedingungen: (b) 800 °C bei 10 s-1 und (c) 1000 °C bei 1 s-1 unter einachsiger Belastung

 

Entwicklung eines gekoppelten Schädigungs- und Ver-/Entfestigungsmodells

Bei Stahl wird die Schädigung hauptsächlich durch die Bildung von Hohlräumen durch Ablösen der Grenzfläche zwischen Matrixmaterial und nichtmetallischen Einschlüssen bestimmt. Bei der Kaltumformung konnte das GTN-Modell angewendet werden, das die Keimbildung und das Wachstum von Hohlräumen berücksichtigt. Die Hauptgleichungen des GTN-Modells sind in Tabelle 1 [Tve84] zusammengestellt:

Tab1


Die spannungsgesteuerte Keimbildung f1 hängt von der von Mises-Spannung f2 und der hydrostatischen f3 Spannungsrate ab, berücksichtigt jedoch weder den vollständigen Spannungszustand noch die Wechselwirkung mit der Entfestigung. Um den Hohlraumbildungsprozess zu modellieren, musste das Versagen der Grenzfläche berücksichtigt werden. Basierend auf der bruchmechanischen Gleichung von Irwin [Irw58] schlug Horstemeyer [Hor99] eine verallgemeinerte Formulierung für die Bruchzähigkeit vor:

 

f5 modelliert den Einfluss der Probengeometrie, f4 ist das Fließkriterium für das Mikrofließen, f6 modelliert den Größeneinfluss der Spannungsüberhöhungen (in diesem Fall durch Einschlüsse) und f7 die Dehnratenabhängigkeit. Nach Horstemeyer gilt f8 und f9. Um das Modell für den Matrixwerkstoff mit DRX zu erweitern, wurde eine explizite Formulierung für f4 unter Verwendung von RVEs ermittelt. Aus dem Spannungszustand werden die drei Invarianten f11 entnommen, wobei f12 die erste Invariante des Cauchy-Spannungstensors ist und f13 und f14 die 2. und 3. Invariante des Spannungsdeviators f15 sind. Das verallgemeinerte Fließkriterium basiert auf der Triaxialität f16 und der normierten dritten Spannungsinvariante f17. Der Lode-Winkel, definiert als f18, konnte nach [Hu17] wie folgt formuliert werden:

In den RVE-Simulationen wurden verschiedene Lastfälle wie f19 für reinen Zug, f20 für reinen Druck und f21 für reinen Schub modelliert und auch Temperatur, Dehnrate und Einschlussgröße variiert. Die Bruchzähigkeitsgleichung wurde nach f22 gelöst und an die aus der RVE-Simulation erhaltene Schädigungsentwicklung angepasst (Abb. 5a). Wenn die Terme f23 und f24 aus Gl. (7) berücksichtigt werden, beschreibt das Modell die RVE-Simulationen gut. Der Einfluss von Termen höherer Ordnung in f25 kann vernachlässigt werden, sodass eine endgültige Form des Hohlraumkeimbildungsmodells wie folgt gefunden wurde:

Das Keimbildungsmodell ersetzt die klassischen Keimbildungskriterien, Gl. (4), im GTN-Modell, und wurde mit der Fließspannungsformulierung nach Beynon-Sellars und der an die DRX gekoppelten Schädigung als User-Subroutine in die Software Abaqus implementiert. Wenn das Verhalten der Grenzfläche zwischen Matrix und Einschluss bekannt ist, z.B. aus atomistischen Simulationen, kann das Modell mithilfe der RVE-Simulationen kalibriert werden. Andernfalls kann die Kalibrierung mithilfe von Versuchen (z.B. Warmzugversuche) und inverser Parameteridentifikation durchgeführt werden. Weitere Details zur Modellbildung und -kalibrierung sind in [Bam19, Imr19c] zu finden.

Abb. 5: (a) Fitten der Gl. (10) mit RVE-Simulationen, (b) RVE-Modell für T = 1000 °C, ε ̇ = 1 s-1 und eine Einschlussgröße von 4,25 µm und (c, d) Fitten des erweiterten GTN-Modells mit experimentellen Ergebnissen

 

Kalibrierung und Validierung des Modells

Die Modellkalibierung wird im Folgenden anhand des Stahls 16MnCrS5 dargestellt. Die Schädigungs­ergebnisse für Zug-, Druck- und Schubspannungszustände aus den RVE-Simulationen zeigten, dass reine Zugspannung zu der höchsten, reiner Druck zu der niedrigsten und reiner Schub zu mittleren Schädigungs­werten führt. Die Parameteridentifikation wurde daher für den kritischsten Spannungszustand unter Ver­wendung von Warmzugversuchen mit zwei verschiedenen Probengeometrien (ungekerbt/gekerbt) durchgeführt. Dazu konnte eine inverse Simulation unter Verwendung der in Abb 5c,d gezeigten axial­symmetrischen FE-Modelle (Abb. 5c,d) durchgeführt werden. Das erweiterte GTN-Modell wurde an die Mess­daten für die vier Temperaturen (900, 1000, 1100 und 1200 °C) und drei Dehnraten (0,01, 0,1, 1,0 s-1) gefittet.

Zur Validierung des erweiterten GTN-Modells wurde der Kaliberwalzprozess betrachtet. In Zusammenarbeit mit dem Teilprojekt A01 konnte ein Kaliberwalzprozess mit vier Durchgängen durchgeführt werden, bei dem das Stangenmaterial nach jedem Walzdurchgang um 90° gedreht wurde. Mit dem erweiterten GTN-Modell konnte die Schädigung, die während des Walzprozesses verursacht wird, vorhergesagt werden (Abb. 6a). Die Simulationsergebnisse zeigen, dass der höchste Porenvolumenanteil (VVF) während des ersten Walz­durchgangs auftritt. Die Veränderung des Spannungszustands, durch das Drehen des Walzguts vor jedem Walzstich, trägt jedoch dazu bei die Schädigung wieder zu verringern. Die Entfestigung aufgrund des Anstiegs der DRX in den nachfolgenden Stichen trägt auch dazu bei, die Porenkeimbildung zu verringern. Eine mikroskopische Analyse des Walzguts bestätigt qualitativ die durch die Simulationen vorhergesagte Schädigungsverteilung (Abb. 6b). Weitere Details zur Modellvalidierung sind in [Imr20] aufgeführt.

Abb. 6: (a) FE-Modell für den Kaliberwalzprozess und (b) durchschnittlicher Hohlraumflächenanteil und Hohlraumzahl an Position A, B und C nach dem 1. und 4. Walzstich und der Hohlraumvolumenanteil des erweiterten GTN-Modells

 

Physikalische Simulation der Realversuche

Ziel der Simulation mit Realversuchen war es, den Einfluss der Umformbedingungen auf die Mikrostruktur und die Schädigungsentwicklung in Abhängigkeit vom realen Umformprozess zu untersuchen, um eine Optimalsteuerung aufzubauen. Zur experimentellen Analyse der Schädigungsentwicklung wurden zylindrische Proben aus 16MnCrS5 zwischen zwei flachen Werkzeugen isotherm gestaucht (Abb. 7b-e). Der Flachstauchversuch führt zu Spannungszuständen, die auch beim Breiten während des Gesenkschmiedens beobachtet werden. Darüber hinaus wurden die Proben bei unterschiedlichen konstanten sowie variablen Geschwindigkeiten umgeformt, um die optimale Umformgeschwindigkeit zu bestimmen, bei welcher die geringste Schädigung auftritt.

Abb. 7: (a) Aufbau des Umformsimulators, (b) Probengeometrie, (c) unverformte Probe, (d) Stauchversuch und (e) umgeformte Probe aus 16MnCrS5, (f) Darstellung des parametrisierten Geschwindigkeitsprofils, (g) FE-Modell. Vergleich der Schädigung bei 1000 °C für (h) konstante und (i) variable Geschwindigkeit

 

Steuerung der Schädigung beim Warmumformen - Beitrag zu TRR 188-Zielen

Die Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, die Schädigung bei der Warmumformung durch angepasste Umformgeschwindigkeiten zu steuern. Bei Prozessen wie Schmieden oder Strangpressen bestimmt hauptsächlich die Stempelgeschwindigkeit v(t) die Umformgeschwindigkeit. Die Minimierung der Schädigung kann somit durch Lösung eines Optimalsteuerungs-Problems (OCP) erreicht werden:

Hier ist tf die Prozesszeit und ∆h eine gegebene Höhenreduzierung, die erreicht werden soll. Ein geeignetes Geschwindigkeitsprofil zur Schädigungsbegrenzung ist in Abb. 7f dargestellt, wobei zunächst eine konstante Stößelgeschwindigkeit eingestellt wurde und bis zum Zeitpunkt t1 die Geschwindigkeit

mit f30 auf den konstanten Wert v1 erhöht wurde. Das OCP wurde in Abaqus über einen gradientenbasierten Löser mit dem parametrisierten Geschwindigkeitsprofil definiert. Die Optimierungsergebnisse sind in Abb. 7h,i dargestellt, wobei ein Geschwindigkeitsprofil mit einem Anstieg von v0 = 2 mm/s auf v1 = 12 mm/s ermittelt wurde, das den Hohlraumvolumenanteil nach einer Umformung von 0,43 % bei konstanter Geschwindigkeit auf 0,20 % bei gleicher Prozesszeit verringert.

Zur Validierung der Ergebnisse wurden Stauchversuche bei konstanter und optimierter variabler Geschwindigkeit unter Verwendung des Umformsimulators durchgeführt (Abb. 7a). Die Hohlraumanteile wurden metallographisch im Bereich der höchsten Spannung im Probenquerschnitt bestimmt (Abb. 8b-c). Abb. 8d zeigt, dass der Anteil der Einschlüsse, die sich von der Matrix gelöst haben, mit variabler Geschwindigkeit kleiner ist als mit konstanter Geschwindigkeit, was die numerische Lösung des OCP bestätigt. Damit wurde der Nachweis erbracht, dass die Nutzung der Entfestigung bei der Warmumformung die Kontrolle der Schädigung erlaubt.

Abb. 8: (a) Umgeformte Probe (bei 1000 °C). Mikroskopische Aufnahmen für (b) konstante und (c) variable Geschwindigkeit. (d) Größenverteilung von nichtmetallischen Einschlüssen und erzeugten Hohlräumen bei konstanter und variabler Geschwindigkeit

 

Literaturverzeichnis

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[Hor99] Horstemeyer, M.F., Gokhale, A.M., 1999. A void-crack nucleation model for ductile metals, International Journal of Solids and Structures 36/33, pp. 5029-5055
[Hu17] Hu, Q., Li, X., Han, X., Li, H., Chen, J., 2017. A normalized stress invariant-based yield criterion: Modeling and validation, Int. Journal of Plasticity 99, pp. 248-273
[Imr18] Imran, M., Bambach, M., 2018. Towards the damage evaluation using Gurson-Tvergaard-Needleman (GTN) model for hot forming processes. AIP Conference Proceedings 1960, 170006.
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[Imr19b] Imran, M., Afzal, M. J., Bambach, M., 2019. Analysis of competition between onset of dynamic recrystallization and damage nucleation during hot forming. In: Proceedings of NUMIFORM 2019: The 13th International Conference on Numerical Methods in Industrial Forming Processes, Portsmouth, USA, pp. 231-234.
[Imr19c] Imran, M., Szyndler, J., Afzal, M. J., Bambach, M., 2019. Towards the damage evolution for hot forming processes using Gurson-Tvergaard Needleman model – Coupled to dynamic recrystallization. AIP Conference Proceedings 2113, 180003.
[Imr20] Imran, M., Afzal, M.J., Buhl, J., Bambach, M., Dunlap, A., Schwedt, A., Aretz, A., Wang, S., Lohmar, J., Hirt, G., 2020. Evaluation of process-induced damage based on dynamic recrystallization during hot caliber rolling. Production Engineering 14 (1), pp. 5-16.
[Irw58] Irwin, G. R.: Fracture I, Handbuch der Physik VI, Flügge (Ed.), (1958), pp. 558–590
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[Tve84] Tvergaard, V., Needleman, A., 1984. Analysis of cup-cone fracture in a round tensile bar, Acta metallurgica 32/1, pp. 157-169

 

Projektleitung
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Markus Bambach
Lehrstuhl Konstruktion und Fertigung (KuF), BTU Cottbus-Senftenberg

Projektbearbeitung
Muhammad Imran M. Sc.
Lehrstuhl Konstruktion und Fertigung (KuF), BTU Cottbus-Senftenberg