Das Ziel des Teilprojektes C01 ist die Vorhersage des Werkstoffverhaltens für umgeformte Bauteile unter Betriebsbedingungen. Es schließt damit die Prozesskette mit dem Schritt von der erfolgten Umformung zum Betriebseinsatz. Dafür werden experimentelle Erkenntnisse aus betriebsnahen, komplexen Lastpfaden mit einem neuartigen Werkstoff- und Schädigungsmodell kombiniert. Dieser Schulterschluss aus Experiment und Simulation fokussiert sich insbesondere auf den Einfluss der umformbedingten duktilen Vorschädigung auf die Schädigungsevolution unter mehraxialer zyklischer Beanspruchung. Als repräsentativer Umformprozess wird das Fließpressen des Einsatzstahls 16MnCrS5 betrachtet, also ein Vertreter der Massivumformung. Die Simulationen auf Basis des neuartigen Modells erlauben Vorhersagen zur Erhöhung der Bauteileffizienz und zur Reduktion des Ressourcenbedarfs, was dem Gesamtziel des TRR entspricht.
Auf der Seite der experimentellen Prüftechnik wird zunächst die durch die vorangegangene Umformung induzierte duktile Vorschädigung charakterisiert. Anschließend werden die versagensauslösenden mikrostrukturellen Defekte für typische Betriebsbelastungen experimentell quantifiziert. Zur Untersuchung komplexer mehraxialer zyklischer Belastungspfade wird der Schwerpunkt dabei auf die Torsions- und Axial-Torsions-Werkstoffcharakterisierung gelegt. Dazu werden sowohl Werkstoffe im Ausgangszustand als auch fließgepresste Bauteile mit unterschiedlichen duktilen Vorschädigungen untersucht. Die Werkstoffreaktion wird dabei sowohl über ein Axial-/Torsional-Extensometer aufgenommen, um die Hysteresiskennwerte zu ermitteln, als auch über eine Thermografiekamera, die die Temperaturfelder im Versuch erfasst und somit Rückschlüsse auf die lokale Dissipation ermöglicht. Neben Versuchen, in denen axiale und torsionale Beanspruchungen proportional (phasengleich) verlaufen, werden Versuche mit 90° Phasenverschiebung durchgeführt, um die Sensitivität der Vorschädigung auf diesen Lastfall zu untersuchen. Im LCF-Bereich können akkumulierte mikrostrukturelle Änderungen in Form von persistenten Scherbändern, die Neuordnung von Versetzungen in Zellstrukturen sowie Porenbildung und -wachstum stattfinden. Deshalb werden ausgewählte Versuchsreihen in definierten Stadien in Abhängigkeit des Verformungs- und Schädigungszustands sowie der Bruchlastspielzahl angehalten und die Proben mikrostrukturell im Licht- und Elektronenmikroskop charakterisiert. Ergänzend erfolgen fraktografische Untersuchungen, um Rückschlüsse auf die Schädigungsvorgänge ziehen zu können.
Die zuvor beschriebenen experimentellen Untersuchungen fließen fortlaufend in die Entwicklung eines neuen makroskopischen Materialmodells ein. Schwerpunkte dieses Modells sind die realitätsnahe Abbildung der initialen Anisotropie des Werkstoffs sowie der anisotropen Schädigungsevolution unter mehraxialen Betriebsbelastungen [Lan20]. Dazu wird ein bereits existierendes lokales isotropes Werkstoffmodell, welches sowohl duktile Schädigung (relevant bei geringeren Lastspielzahlen bzw. höheren Belastungsamplituden) als auch eine quasi-spröde Schädigung wiedergibt (relevant bei höheren Lastspielzahlen bzw. geringeren Beanspruchungsamplituden), grundlegend erweitert. Zudem ist das Modell thermo-mechanisch gekoppelt, um die experimentell gewonnenen Daten (Thermografie) direkt in das Modell integrieren zu können. Hierdurch werden wichtige Rückschlüsse auf die Evolution (Dissipation) von Defekten erwartet. Schließlich wird eine gradientenbasierte nicht-lokale Regularisierung entwickelt und numerisch im Rahmen der Finite-Elemente-Methode umgesetzt, um numerisch objektive Simulationen zu gewährleisten.
In der ersten Förderperiode konnte an Werkstoffproben der TP A02, A04 und A05 experimentell bereits gezeigt werden, dass eine einfache Korrelation von hoher Ausgangsschädigung und niedriger Leistungsfähigkeit nicht immer besteht und daher auch nicht trivial vorhersagbar ist. Vielmehr hängt dies von der Belastungsart ab, insbesondere von der Kombination und Abfolge von axialer und torsionaler Belastung. Dies zeigte sich entsprechend in der anisotropen Schädigungsentwicklung innerhalb des erfolgreich erweiterten numerischen Modells. Damit sind nun insbesondere Vorhersagen für den komplexen Betriebseinsatz von umgeformten Bauteilen bis zum LCF-Bereich (Low Cycle Fatigue) möglich geworden.
In der zweiten Förderperiode findet eine Erweiterung bis hin zum Zeit- und Ermüdungsfestigkeitsbereich (High Cycle Fatigue, HCF) statt. Dabei soll neben der Thermografie die digitale Bildkorrelation in den Versuchsaufbau integriert werden, um den Übergang von der duktilen zur quasi-spröden Schädigung zu erfassen und in das Modell zu integrieren. Die dritte Förderperiode wird die Bauteilbewertung durch den Bereich des Very High Cycle Fatigue sowie mikroskopische Einschlüsse und produktionsbedingte Unsicherheiten komplettieren.
Vorgehenssystematik zur Ermittlung eines thermomechanisch gekoppelten Schädigungsmodells für Betriebsbelastung
Wichtige Ergebnisse der 1. Förderperiode
Das Gesamtziel des Teilprojektes ist die Bewertung der Leistungsfähigkeit von Bauteilen, welche durch vorherige Umformung eine Initialschädigung aufweisen. Dazu wurde ein numerisches Modell entwickelt und für ferritisch-perlitischen Einsatzstahl 16MnCrS5 aus TP A02 experimentell kalibriert, welches die Schädigungsentwicklung unter zyklischen Betriebslasten zuverlässig vorhersagt. Die daraus resultierende Vorhersage der Leistungsfähigkeit ermöglicht es verschiedene Schädigungszustände untereinander zu vergleichen und zu bewerten, wodurch die Prozessketten der Umformtechnologien im TRR optimiert werden können.
Charakterisierung der Schädigungsakkumulation von fließgepressten Bauteilen aus 16MnCrS5
Zur Leistungsfähigkeitsbewertung der umgeformten Bauteile wurden experimentell zunächst zwei unterschiedliche Schädigungszustände nach Vollvorwärtsfließpressen unter zyklischer Belastung bewertet. Dies erfolgte über den Vergleich der erreichbaren Bruchlastspielzahlen als Indikator für die Leistungsfähigkeit. Eine niedrigere sowie eine höhere Initialschädigung (vgl. TP B04) wurden in TP A02 über die Variation des Schulteröffnungswinkels 2α = 30° und 90° bei einem Umformgrad von 0,5 eingestellt. Andere Einflüsse auf die Leistungsfähigkeit wie die Härte, die Eigenspannungen sowie die Mikrostruktur (Phasen, Korngröße und -orientierung) konnten statistisch vernachlässigt werden. Das zentrale Ergebnis ist, dass eine höhere Initialschädigung die Leistungsfähigkeit nicht zwangsläufig herabsetzt. Der Einfluss ist dabei lastpfadabhängig.
Für Zug/Druck-Lastpfade bestand eine zu erwartende, vereinfachte Korrelation (hohe Schädigung, niedrige Leistungsfähigkeit), sowohl für Versuche mit konstanter wie auch mit diskret, blockweise gesteigerter Amplitude. Auch unter reiner Druckbelastung konnte eine Reduktion der Bruchlastspielzahl durch höhere Initialschädigung gezeigt werden. Ergänzende Versuche zur Einflussseparation im Zugschwellbereich zeigten dabei keinen weiteren, statistisch signifikanten Einfluss der Initialschädigung. Laststeigerungsversuche demonstrierten zusätzlich, dass die Zyklenzahl je Laststufe den Unterschied zwischen höherer und niedrigerer Initialschädigung überproportional vergrößert [Moe20b]. Damit liegt auch ein Spannungsamplitudenbezug der Auswirkung von Initialschädigung nahe. Unter Torsion stellten sich für beide Schädigungszustände vergleichbare Bruchlastspielzahlen ein, was die Verbindung der Schädigungsentwicklung mit hydrostatischen Spannungen unterstreicht. Dies ließ sich über intermittierende Versuchsführung (Einstufenversuche) mit einem degressiven Langrisswachstum in Fließpressrichtung an der Probenoberfläche in primär der weicheren ferritischen Phase bis zum Rissstop korrelieren. Die Wirkung der initialen Schädigung floss damit in die Bildung nicht final ausbreitungsfähiger Makrorisse ein [Moe20a]. Nach weiterer Belastung bildeten sich Umfangs- und radiale, versagenskritische Risse aus. Ihre Ausbreitung erfolgte normalspannungskontrolliert unter ca. 45° zur Fließpressrichtung in das Volumen unter Einbezug der ferritischen und perlitischen Gefügebestandteile (vgl. Abb. 1b). Der Einfluss der Initialschädigung zeigte sich im isotropen Porenwachstum in Fließpressrichtung.
Für axial-torsional überlagerte Lastpfade war der Einfluss der initialen Schädigung auf die Leistungsfähigkeit nicht mehr eindeutig. Trotz höherer Initialschädigung wurde sogar eine bis zu 15% höhere Bruchlastspielzahl erzielt (vgl. Abb. 1a). Der axial-torsionale Phasenversatz, d.h. der zeitliche Versatz zwischen den axialen und den torsionalen Zyklen, war dabei entscheidend. Der Phasenversatz beeinflusste neben dem Winkel des Rissfortschritts im Volumen auch die Länge der sich ausbreitenden Langrisse an der Oberfläche von bis zu lRiss = 630 µm. Diese grundlegenden Beobachtungen zeigen deutlich, dass die Bewertung der Leistungsfähigkeit nicht nur über die Initialschädigung nach der Umformung erfolgen kann. Zusätzlich müssen auch die Lastpfade der typischen Einsatzszenarien berücksichtigt werden [Moe20b].

Mikrostrukturelle Charakterisierung in definierten Ermüdungs- und Schädigungszuständen und fraktografische Untersuchungen
Die experimentelle Analyse wurde neben der Kalibrierung und Validierung von einem Mechanismenverständnis auf der Mikroskala bestimmt. Dieses Teilziel wurde in der ersten Förderperiode verfolgt, um das makroskopische Werkstoffverhalten auf relevante Mechanismen und auf die initiale Schädigung rückzuführen und quantifizierbar zu machen. Durch intermittierende Versuchsführung und sukzessive REM-Charakterisierung der Werkstoffoberfläche sowie fraktografische Analysen wurde die Werkstoffoberfläche als Rissinitiierungsort identifiziert. Die initiale Schädigung zeigte sich bemessen an den Porenflächenanteilen (vgl. Abb. 1c) quantitativ vergleichbar mit der Schädigung im Werkstoffvolumen. Für Werkstoffzustände nach torsionaler Belastung (vgl. Abb. 1d) wurde mittels EBSD gezeigt, dass kein signifikantes Porenwachstum ausgehend von initialer Schädigung oder MnS-Einschlüssen in Richtung der Hauptspannungsrichtung im Werkstoffvolumen erfolgte. Dieses Ergebnis deckt sich mit den Beobachtungen der anderen Teilprojekte, welche die Signifikanz hydrostatischer Spannungen für die Schädigung identifizierten. Zusammen mit der bevorzugten Lokalisierung der Initialschädigung im Perlit (oder im Grenzbereich von Ferrit und Perlit), ist von einem Phasenbezug der Wirkung der Initialschädigung und einer mikrostrukturellen Behinderung der Rissausbreitung im Werkstoffvolumen wie auch an der Werkstoffoberfläche auszugehen [Moe20a]. Die initiale Schädigung wechselwirkte an der Oberfläche mit In- und Extrusionen (vgl. Abb. 1c) und mit den, von diesen ausgehenden, Mikrorissen. Fraktografische Analysen zeigen einen hohen Einfluss der MnS-Einschlüsse und initialer Schädigung wie auch den Wechsel vom duktilen zum quasi-spröden Versagen durch Übergang in die Phase des Restgewaltbruchs. Für vergleichbare Spannungsamplituden ließ sich mittels Fraktografie kein Unterschied zwischen den betrachteten Schädigungszuständen nachweisen. Wohl aber konnte schließlich über diese Methode die Lastpfadabhängigkeit der zyklischen Schädigungsentwicklung (Makrorissausbreitung) über die Orientierung der Bruchflächen nachgewiesen werden.
Modellentwicklung für duktile, zyklische Schädigungsakkumulation mit Anisotropie und gradientenbasierter Regularisierung
Neben den prüftechnischen Erkenntnissen steht als zentrales Ergebnis der ersten Förderperiode das Materialmodell für duktile, anisotrope Schädigung mit gradientenbasierter Regularisierung [Lan19a]. Es basiert auf dem Prinzip der Verzerrungsenergieäquivalenz, d.h. Energien sind invariant unter der Abbildung zwischen fiktiver ungeschädigter und geschädigter Konfiguration bzgl. elastischer Dehnungen (Differenz zwischen totalen und plastischen Dehnungen,
) sowie isotroper und kinematischer Verfestigung (
und
). Der Modellrahmen ist bewusst ähnlich zum makroskopischen Modell in C02, da dadurch die Übertragung der dortigen, fertigungsbedingten Schädigungsvorhersage in die Analyse unter zyklischer Betriebslast in C01 vereinfacht wird. Die zugehörige Helmholtzenergie
des duktilen Schädigungsmodells setzt sich zusammen aus einem elastischen Anteil (
), einem plastischen Anteil (
) und einem mikromorphen Ansatz für die Gradientenerweiterung (
). Letzterer besteht aus dem Gradiententerm der Zusatzvariable
und einer Straffunktion zu ihrer Kopplung an die anisotrope Schädigung
. Die Schädigung geht dabei implizit über den Integritätstensor
in die Formulierung ein. In der allgemeinen Form sind die Energieanteile definiert als
mit Materialparametern Wichtungsfaktor z und Längen- bzw. Strafparameter
Im Teilprojekt wurde gezeigt, dass die Kopplung zwischen dem zu regularisierenden Feld und der Zusatzvariable
zu schwach ist, falls nur eine gemeinsame Fließfunktion für die Plastizität und die Schädigung verwendet wird. Ein solches Vorgehen ist jedoch für eine rein duktile Schädigung in der Tat physikalisch begründet, da die Evolution der duktilen Schädigung in diesem Fall direkt mit der Evolution der plastischen Verzerrungen gekoppelt ist. Aus diesem Grund wurde vorgeschlagen, die bestehende Fließfunktion um die duale Größe zur Zusatzvariablen
zu erweitern, d.h.
,
. Dieser Ansatz löst das zuvor skizzierte Problem auf. Als Ergebnis sind die Modellergebnisse netzobjektiv (Abb. 2a).
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Abb. 2: Ergebnisse des duktilen Schädigungsmodells, das in der ersten Förderperiode entwickelt wurde. a) Netzunabhängige Kraft-Verschiebungs-Antwort an einer gelochten Scheibe im einaxialen Zugversuch für drei verschiedene Netzdiskretisierungen mit zugehöriger anisotroper Schädigungsentwicklung (dargestellt ist dyy in Zugrichtung). b) Einfluss des Lastpfades durch axial-torsionale Reihenfolge auf die Schädigungsentwicklung (in axialer, radialer und in Umfangsrichtung: dyy, drr und dφφ) sowie Temperaturverteilung ( |
Modellerweiterung um quasi-spröde Schädigung
Die Modellierung quasi-spröder Schädigung wurde in der ersten Förderperiode ebenso erfolgreich eingeleitet, stand aber nicht im Fokus, da die duktile Initialschädigung innerhalb des gesamten TRR eine priorisierte Stellung einnahm. Der Begriff der quasi-spröden Schädigung umfasst hierbei eine Schädigungsentwicklung, welche nicht an plastische, sondern elastische Verformungen gekoppelt ist und entsprechend mit höheren Zyklenzahlen und kleineren Amplituden einhergeht. Dazu wurde ein variationeller Ansatz gemäß einer Stationarität eines Ratenpotenzials für die Rate der Helmholtzenergie
und die Dissipation D implementiert. Die relaxierte Helmholtzenergie und die Dissipation wurden von der Form
gewählt, sodass die Regularisierung viskos über die isotrope Schädigungsrate erfolgt. Gegenüber bestehenden Arbeiten zeichnet sich das Modell durch eine Konvexifizierung der Helmholtzenergie aus (wobei eine geringe Nichtkonvexität in die Dissipation verschoben wurde), durch einen reduzierten Satz an benötigten Materialparametern () einer einfachen Evolutionsgleichung und einen voll entfestigten, degradierten Zustand. Die wissenschaftlichen Neuentwicklungen der numerischen Methode standen hier im Vordergrund und werden in der zweiten Förderperiode die systematische Ausrichtung auf quasi-sprödes Bauteilversagen erlauben, komplexe, gekoppelte Einsatzbelastungen vorherzusagen und zu bewerten.
Modellerweiterung um Temperatureffekte
Ebenso wurde eine thermomechanische Kopplung für das Modell der duktilen Schädigung implementiert. Dazu wurde das Modell zur Beschreibung des thermischen Einflusses um den ersten Hauptsatz der Thermodynamik im variationellen, thermodynamisch konsistenten Rahmen ergänzt und verwendet, um Reihenfolgeeffekte in unterschiedlichen Lastpfade zu vergleichen (Abb. 2 b). Auch hier lag der Fokus auf dem grundsätzlichen numerischen und experimentellen Rahmen undTemperatureinflüsse werden als zukünftiger Schwerpunkt der zweiten Förderperiode folgen (wärmebehandelte Materialzustände, Dissipationsbestimmung aus Temperaturaufnahmen sowie Begünstigung quasi-spröder Schädigungsentwicklung durch tiefere Temperaturen).
Reihenfolgeeffekte und zyklische Schädigungsentwicklung in Einsatzstahl – kombinierte Modellierung und PrüftechnikUnter den gemeinsamen Ergebnissen der numerischen und experimentellen Untersuchungen sind schließlich zwei besonders hervorzuheben. Zum einen wurden die üblichen einaxialen Lastpfade um axial-torsionale Lastkombinationen erweitert, deren zeitliche Reihenfolge einen maßgeblichen Einfluss auf die Schädigungsentwicklung hat und somit die Bedeutung der Vorhersagen für das TRR-Ziel der Schädigungskontrolle unterstreicht (Abb. 2b). Zum anderen wurde das zyklische Verhalten des Einsatzstahls 16MnCrS5 bewertet (Abb. 3). Für fließgepresste zylindrische Proben konnte eine anisotrope Entwicklung der Fließgrenze identifiziert und über eine Fließfunktion vom Hill-Typ erfolgreich abgebildet werden. Durch die Formulierung in Polarkoordinaten konnten die aufwändigen Simulationen zudem sehr effizient (auch unter finiten Deformationen für quasi-statische Versuche mit Probeneinschnürung) für die Parameteridentifikation umgesetzt werden. Die Ergebnisse dieser Verbindung numerischer und experimenteller Methodenentwicklung bilden die Kernfunktion des TP C01 im TRR-Verbund, indem sie die Schädigungsevolution unter komplexen, zyklischen Belastungen bis zum Versagen vorhersagen und damit für die anschließende schädigungskontrollierte Auslegung der Umformprozesse bewertbar machen.
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Abb. 3: Anisotrope Schädigungsentwicklung des Einsatzstahls im Ausgangszustand unter zyklischer Belastung gemäß AP1 der experimentellen Versuchsführung im (Ultra)-LCF bis zum Versagen bei 93 Zyklen. a) Schädigungsverteilung in axialer und radialer Richtung dyy und drr zum Zeitpunkt des Versagens. b) Kalibrierung des Modells am Experiment für eine Dehnungsamplitude von εa ≈ 1,8% und resultierende Spannungsamplitude von σa ≈ 500 N/mm²; c) Prüfaufbau (links) und Versuchsinstrumentierung mittels Extensometrie (rechts oben) sowie Bruchfläche mit Übergang vom duktilen Schwing- zum quasi-spröden Restgewaltbruch (rechts unten) |
Aktuelle Inhalte der zweiten Förderperiode und Ausblick auf die dritte Förderperiode
In der ersten Förderperiode konnte das Ziel - ein prädiktives Modell für die zyklische Schädigungsentwicklung - erreicht werden, indem der wissenschaftliche konstitutive Rahmen erfolgreich implementiert und im TRR durch die Kooperationen verankert wurde. Die zweite Förderperiode erweitert die numerische Bewertung der zyklischen Bauteilleistungsfähigkeit nun durch zwei Hauptmerkmale: hohe Zyklenzahlen mit quasi-spröder Schädigungsentwicklung und bauteilnahe Proben mit charakteristischen, schädigungssensitiven Geometrien und Lastpfaden. Daraus ergeben sich neue, zugrundeliegende Schädigungsprozesse für die Prüftechnik und das Materialmodell mit nachstehenden Schwerpunkten der aktuellen Forschungsarbeit:
- zunehmend nicht-plastische, quasi-spröde Verformungen durch die reduzierte Beanspruchungsamplitude im HCF-Bereich
- gesteigerte Anzahl von Zyklen bis zum Werkstoffversagen
- Einfluss betriebsnaher Oberflächenzustände (Kerben, Spannungsgradienten) auf die zyklische Rissinitiierung
Diese Einflüsse machen die Erweiterung von prüf- und messtechnischen Methoden nötig, um den Einfluss und der neuen Mechanismen in Abhängigkeit von der duktilen Initialschädigung und dem Anteil der spröden Schädigung zu belegen und zu quantifizieren. Zudem ist der Einfluss von Druckeigenspannungen an der Oberfläche und der Einfluss von Kerben hinsichtlich der Rissinitiierung zu bewerten. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse werden anschließend in das in der 1. FP entwickelte anisotrope Schädigungsmodell integriert. Eine besondere Herausforderung ist hierbei die numerisch effiziente Abbildung der hohen Zyklenzahlen bis zum Versagen. Dies erfolgt durch die Bewertung und Weiterentwicklung bestehender Ansätze zur Zeithomogenisierung sowie zur Zyklenextrapolation.
In der dritten Förderperiode wird die Bewertung des möglichen Einsatzspektrums durch den Bereich des Very High Cycle Fatigue und den stärkeren Einfluss von mikroskopischen Einschlüssen komplettiert. Dazu wird wiederum eine effiziente Zeithomogenisierung implementiert und aus prüftechnischer Sicht ermittelt, inwieweit die entwickelte Vorgehensmethode durch höhere Prüffrequenzen beschleunigt werden kann und inwieweit dehnratenbezogene Effekte die Leistungsfähigkeit beeinflussen. Gleichzeitig werden Unsicherheiten, die sich üblicherweise in Produktionsprozessen und in Betriebslasten finden, berücksichtigt, um sie in die Leistungsfähigkeitsbewertung einzubeziehen. Dadurch wird eine abschließende Beurteilung der möglichen Einsatzbelastungen über alle Zeitbereiche sowie eventueller Abweichungen erreicht.
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Projektleitung
Prof. Dr.-Ing. Jörn Mosler,
Dr.-Ing. Patrick Kurzeja
Institut für Mechanik (IM), TU Dortmund
Prof. Dr.-Ing. habil. Frank Walther
Lehrstuhl für Werkstoffprüftechnik (WPT), TU Dortmund
Projektbearbeitung
Klas Feike, M. Sc.
Institut für Mechanik (IM), TU Dortmund
Lars Lingnau M. Sc.
Lehrstuhl für Werkstoffprüftechnik (WPT), TU Dortmund