Mit dem Beginn der zweiten Förderperiode des TRR188 ist das neue Teilprojekt A08 gestartet, dessen Ziel die Entwicklung schädigungskontrollierter Mikrostrukturen während der Warmumformung ist. Im Laufe der ersten Förderperiode konnte gezeigt werden, dass die Ausprägung und Entwicklung von Schädigung während Warmumformprozessen vergleichsweise gering ausfällt und durch optimierte Prozessstrategien sogar ein Ausheilen der im Material vorhandenen Schädigung realisiert werden kann. Gleichzeitig bietet die Warmumformung durch eine Kombination aus hohen Prozesstemperaturen und einer überlagerten Umformung erhebliches Potential zur Beeinflussung und gezielten Einstellung von Mikrostrukturen im Werkstück. Für die in einer typischen Prozesskette anschließende Kaltumformung hingegen konnte gezeigt werden, dass eine ausgeprägte Schädigungsentwicklung und -akkumulation im Material aus dem Durchlaufen von Kaltumformprozessen resultiert. Vereinzelt konnte dabei bereits nachgewiesen werden, dass das Maß der Schädigungsakkumulation durch verschiedene mikrostrukturelle Aspekte beeinflusst werden kann. Das Ziel des Teilprojekts A08 ist es daher, systematisch die Zusammenhänge zwischen der in der Warmumformung eingestellten Mikrostruktur und der Schädigungsausprägung während der anschließenden Kaltumformung zu untersuchen. Dies wird sowohl für den Einsatzstahl 16MnCrS5 als auch für den Dualphasenstahl DP800 durchgeführt.
Zur Realisierung dieses Forschungsvorhabens wird zunächst anhand von Dilatometerversuchen das Spektrum der realisierbaren Mikrostrukturvariation für beide Werkstoffe untersucht. Dazu werden Probenkörper zunächst rein thermischen Behandlungsprogrammen und im nächsten Schritt thermischen Programmen mit einer überlagerten Umformung, also einer vollständigen thermomechanischen Behandlung, ausgesetzt. Zur Auslegung der einzelnen Programme wird dabei die Software JMatPro verwendet, welche anhand der CALPHAD-Methode Zeit-Temperatur-Umwandlungsschaubilder liefert und somit ein gezieltes Mikrostrukturdesign erlaubt. Nach dem Durchlaufen der TM-Behandlungen werden die in den Proben auftretenden Gefüge in Kooperation mit dem Projektbereich B des TRR188 hinsichtlich ihrer Phasenzusammensetzung und Morphologie sowie der vorliegenden Korngröße charakterisiert. Dazu werden metallographische Schliffbilder lichtoptisch ausgewertet und zusätzlich durch detaillierte Bildgebungsverfahren wie bspw. EBSD- oder REM-Messungen validiert. Im weiteren Verlauf werden die Gefügeuntersuchungen durch Härtemessungen zur Bestimmung der mechanischen Eigenschaften ergänzt, sodass letztlich für beide Werkstoffe eine Vielzahl vollends charakterisierter Mikrostrukturzustände vorliegt. Gemeinsam mit der Expertise des Projektbereichs B werden anschließend die Mikrostrukturen identifiziert, deren Schädigungsentwicklung im weiteren Projektverlauf untersucht werden soll.
Zur Betrachtung der Schädigungsentwicklung während der Kaltumformung werden die einzelnen Mikrostrukturen zunächst konstanten Lastpfaden und anschließend den Lastpfaden der typischen Kaltumformprozesse Flachwalzen und Fließpressen, die von den Teilprojekten A02 und A04 zur Verfügung gestellt werden, ausgesetzt. Dafür wird das Torsionsplastometer des IBF genutzt, welches durch eine nahezu beliebige Kombination von Zug, Druck und Torsion eine Vielfalt an möglich Lastpfaden erzeugen kann. Durch ein FE-Simulationsmodell des Torsionsplastometers ist es möglich, bereits vor Versuchsdurchführung kosten- und ressourcenschonend die Prozessparameter zu ermitteln, die zur Nachbildung der Lastpfade des Flachwalzens und Fließpressens benötigt werden. In Kooperation mit dem Projektbereich C werden diese Lastpfade zusätzlich verwendet, um die in Abhängigkeit der Mikrostruktur auftretenden Schädigungsmechanismen soweit möglich abzubilden. Dafür werden CP-FEM Simulationen durchgeführt, die ein RVE-Modell kombiniert mit einem mikromechanischen Schädigungsmodell verwenden. Die Ergebnisse dieser Simulationen sowie die der Torsionsplastometerversuche werden anschließend verwendet, um die Mikrostrukturen zu identifizieren, welche die bestmögliche Schädigungskontrolle in den Kaltumformprozessen ermöglichen. Im letzten Schritt werden basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen gemeinsam mit den Teilprojekten des Projektbereichs A Prozessstrategien für die Warmumformung entwickelt, die das Einstellen der schädigungskontrollierten Mikrostrukturen in den jeweiligen Laborprozessen erlauben.
Projektleitung
Dr.-Ing. Johannes Lohmar
Institut für Bildsame Formgebung (IBF) an der RWTH Aachen
Projektbearbeitung
Jannik Gerlach M. Sc.
Institut für Bildsame Formgebung (IBF) an der RWTH Aachen